Der Blinde Passagier
Eine kunstbasierte Identitätsrecherche über die Definition des Staatsangehörigen
Konzept und Realisation
Angela Ljiljanić in Kooperation mit den Bewohner*innen der Stadt im Belgrader Alltag
Herzlichen Dank an alle Beteiligten für ihre offenherzige Spontanität!
Fotos: (c) Danilo Vasić
Kein Land in Sicht!
Mit dem Zerfall Jugoslawiens scheint auch meine Identität wie vom Erdboden verschluckt. Weder meine körperliche Präsenz noch mein gültiger Pass sind ein über jeden Zweifel erhabener Beweis, dass ich augenscheinlich vorhanden bin. Die zuständige Meldebehörde entlässt mich in meinen Belgrader Alltag, mit der Auflage, meine verloren gegangene Identität unter Beweis zu stellen – Wie?…. Sei ganz mir selbst überlassen! Mit einer roten Langhaarperücke und zwei wechselnden Kostümen gehe ich in der Rolle des Blinden Passagiers im Belgrader Alltag unter – und vor meinen verschwunden Personalien in Deckung. Behutsam lege ich neue Spuren, die dokumentiert eine nachweisliche Identität schlussfolgern lassen. Ich begebe mich auf den Belgrader Asphalt und in Geschäfte, Tankstellen und Friseursalons, bei denen ich vor 24 Stunden noch als Nor·ma̱l·bür·ger-in eingekehrt bin und lasse von dem Belgrader Filmer & Fotografen Danilo Vasić Beweisfotos machen, die durch den Wiedererkennungswert diverser belgrader Örtlichkeiten und die Anwesenheit der anderen, „realexistierenden“ Belgrader belegen sollen, dass ich zeitgleich und räumlich anwesend bin. Übertragen auf den Werk- und Wirkbereich der Kunst könnte es sein, dass auch in dieser Sphäre viele Blinde Passagiere ungesehen unseren Alltag passieren ohne als Kunst wahrgenommen und identifiziert zu werden, was den Umkehrschluss zulässt, dass vieles, was als Kunst wahrgenommen wird, eher der Dekoration von Oberflächen zuzuordnen ist!