Vesna Vojnov













Margita, wie sind Sie zum Nähen gekommen und seit wann nähen Sie?
Von 1941 bis 1949 habe ich mit meiner Mutter in Sombor gelebt. Mein Mann war, als aktiver Offizier des alten Königreichs Jugoslawien, erst in deutscher und dann in ungarischer Gefangenschaft. Erst nach seiner Rückkehr haben wir in Belgrad angefangen zusammen zu leben. Gleich als ich nach Belgrad kam, habe ich mit dem Nähen begonnen, wobei ich auch während des Krieges, als ich bei meiner Mutter lebte, nach unseren Journalen genäht habe.

Nähen Sie aus Leidenschaft?
Mir war das Nähen eine Freude und ein Vergnügen. Ich habe mit Liebe genäht. Ich habe genäht, wenn ich musste und wenn ich nicht musste. Wahrscheinlich hab ich ein angeborenes, schöpferisches Talent. Ich habe früh geheiratet, war nicht auf der Universität, nicht qualifiziert und habe deshalb auch nicht gearbeitet. Doch wahrscheinlich habe ich diese angeborene Begabung. Denn wissen Sie, was mein Großvater, Adelbert Krieg, gemacht hat? Wunderschöne Dinge: Mosaike in Kirchen! Er hat in Zagreb, Vukovar, Vinkovci, Wien und Ungarn gearbeitet, überall hat er Mosaike in den Kirchen gestaltet. Auch meine Mutter hatte das Künstlerische in ihren Genen. Meine Tochter malt und ich habe gerne genäht, demnach ...

Nähen Sie nach Schnittmustern oder eigenen Entwürfen?
Von 1961 an bin ich oft nach Deutschland gereist. Jedes Jahr verbrachte ich dort drei bis fünf Monate bei meiner Tochter und meiner kleinen Enkelin in Frankfurt. Als ich Burda sah, habe ich sofort die ersten Nummern gekauft und sie mit nach Belgrad gebracht. Da gab es noch ein Nähjournal: Neue Mode, doch das war mir nicht so nahe. Sagen Sie, funktioniert Burda nicht mehr so wie früher? Ich habe über ihr Leben gelesen und es gibt wirklich schöne Fotos von Aenne Burda. Die war immer auf der ersten Seite zu finden.

Suchen Sie sich die Stoffe, Materialien und Farben gezielt aus?
Das Material habe ich aus Deutschland mitgebracht. Es gab alle möglichen Materialien, verschiedene Arten Seiden, größtenteils Lurex und Tweed. In den 60er Jahren hörte ich in Deutschland von der Fabrik Hoechst, die einst Waren hergestellt hat und dann auf die Produktion für friedliche Zwecke, eben Textilien, umgestiegen ist. Meine Vorhänge kommen aus einem Frankfurter Geschäft, in dem Produkte von Hoechst verkauft wurden. Das sind feuerfeste Gardinen. Was in denen drin ist, weiß ich nicht. Meine Enkelin hatte blondes Haar und ich mochte Türkisblau an ihr. Dieses schöne Blau, wissen Sie? Meine jüngere Tochter ist auch blond und da mochte ich dieses schöne Metallblau.

Nähen Sie für sich oder für andere?
Ich habe viel für meine Kinder genäht. Als meine jüngere Tochter dann aufs Gymnasium ging, meine Ältere war da schon an der Universität, waren ihre Professorinnen begeistert von den Stoffen, die ich mitbrachte, da es sie hier nicht gab. Hier gab es gar nichts! Und so fing ich dann an, für die Professorinnen vom Gymnasium zu nähen. Die haben sich dann entweder mit Geld oder mit anderen Sachen revanchiert. So habe ich die Professorinnen vom Gymnasium mit Schnittmustern von Burda und deutschen Stoffen ausgestattet. Und mir nur etwas von dem Übriggebliebenen genäht.

Nähen Sie an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit?
Ich hatte eine größere Wohnung, die ich jetzt meinen Kindern überlassen habe. In dem einen Zimmer hatte ich eine Maschine und einen großen Tisch für die Schnittanfertigung. Ich höre dazu gerne schöne Musik. Ich liebe Klassik, das einzige, was ich nicht mag, ist dieses Gebrüll, das macht mich nervös. Ich bin eher für Chopin und diese Geschichten zu haben.

Gibt es ein selbst genähtes Kleidungsstück, das Sie uns heute zeigen möchten?
Ich war in Frankfurt und sie hatte da eine Nähmaschine, so dass ich ihr dieses festliche Kleid genäht habe.

Wann ist es entstanden? Haben Sie es für einen bestimmten Anlass, eine bestimmte Gelegenheit oder Person genäht?
1967/68 für meine Tochter, für irgendeinen Ball in Deutschland. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Es gibt jedes Jahr einen Ball in Frankfurt, wo diese amerikanischen Stars immer hinkommen. Meine Tochter war mit dem Stellvertreter von Jat verheiratet. Er war Direktor für Frankfurt, München und Düsseldorf und wurde dann auch zu diesem Ball eingeladen. Gibt es den eigentlich immer noch?

Wann hat sie das Kleid zum ersten, wann zum letzen Mal getragen?
Das erste Mal hat sie das Kleid auf dem Ball getragen und das letzte Mal hat meine jüngere Tochter das Kleid zu einem festlichen Anlass im Intercontinental hier in Belgrad getragen. Aber sie geht nicht mehr auf solche Anlässe.

Gibt es Fotos oder andere Zeitdokumente in Verbindung mit diesem selbst genähten Kleid?
Ich habe nur dieses eine mit meiner Tochter, auf dem sie nicht gut zu erkennen ist. Auf dem Bild sieht man sie mit ihrem Mann. Das ist ein altes Foto aus den Sechzigern, von diesem Golden Jet Ball! Meine Schöne, die so eine gute Seele war, glücklich verheiratet und gewandt. Sie war nach ihrer Rückkehr aus Deutschland nicht sehr glücklich hier. Sie liebte Frankfurt sehr.

Können Sie sich an ein Kompliment für das Kleid erinnern?
Ach mein Herz, das weiß ich nicht, das ist so lange her.

Woran erinnert Sie dieses Kleid?
An meine Tochter.

Hat die Zeit irgendwelche Spuren auf Ihrem Kleid hinterlassen? Löcher, Flecken ...?
Das glaube ich nicht. Das liegt hier so, wie in einem Museum. Ist das Türkis nicht wunderschön?

Was passiert mit dem Kleid? Verschenken Sie es oder nähen Sie es um?
Nichts. Ich bewahre es einfach auf. Das ist alles alt mit mir zusammen.

Margita, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Belgrad, 13.5.2008 um 17 Uhr