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Tanja, wie sind Sie zum Nähen gekommen und seit wann nähen Sie? Bei uns zu Hause hat niemand genäht. Ich habe mit zwölf Jahren angefangen, von Hand zu nähen. Da wir in der Schule in Handarbeit unterrichtet wurden, lernte ich wie eine Nähmaschine von Hand zu steppen: Stich um Stich und alles Übrige. Als ich durch eine Prüfung fiel, schämte ich mich dafür und sagte zu meinem Vater: „Vater, dieses Jahr werde ich nicht ans Meer fahren und kauf’ mir bitte eine Nähmaschine, damit ich mich nützlich machen kann“. Und da ich durchgefallen war, kaufte er mir eine fußbetriebene Bagat-Nähmaschine und sagte: „Du wirst auch ans Meer fahren, um dich zu erholen“. Ich nähte auch später, als ich in Afrika lebte und nicht arbeitete. Schließlich kann der Mensch nicht den ganzen Tag lesen oder am Pool liegen und muss etwas tun. Nähen Sie aus Leidenschaft? Ich nähe mit sehr viel Liebe. Nicht nur für mich, auch für die Kinder. Seit jeher mochte ich originelle Kleidung und verbringe meine Zeit gerne nützlich. Nähen Sie nach Schnittmustern oder eigenen Entwürfen? Nach Schnittmustern nähe ich erst seit den Siebzigern, als Burda aufgetaucht ist. Zunächst auf Deutsch. Da ich Deutsch auf dem Gymnasium lernte, kam ich ganz gut mit der Schnittanfertigung zurecht. 1995 tauchte die italienische Zeitschrift Boutique auf, nach der ich mir auch ein paar Sommerkleider nähte. Doch mit Burda konnte die nicht konkurrieren. Wobei wir auch keinen Vergleich hatten. Burda war das einzig erhältliche auf dem Markt. Es gab keine Fashion Week oder was sich da nicht noch so alles heutzutage abspielt. Zuerst suche ich ein Modell aus, das mir gefällt; nehme meine Maße; stelle fest, dass es nicht passt und verlängere den Schnitt dann eigenhändig. Ärmel, Schlitze und Hosen waren immer zu kurz. Also nehme ich z.B. das Modell in Größe 38, die nicht meine ist sondern 42 und füge seitlich zwei bis drei Zentimeter hinzu. Ist das Original zweifarbig, mach ich es einfarbig. Mir kam es nie darauf an, das Original zu kopieren. Suchen Sie sich die Stoffe, Materialien und Farben gezielt aus? Heute ausschließlich Leinen und in Weiß. Leinen ist pflegeleicht, Baumwolle, günstig und Sie können damit nähen, was sie wollen. Man sieht darin immer gepflegt aus, auch mit dreckigen Haaren, und es ist fantastisch für den Sommer. Weiß mochte ich schon immer. Schon als junges Mädchen habe ich sogar im Winter einen weißen Mantel und weiße Stiefel getragen. Weiße Stiefel trage ich auch heute noch. Wenn ich jetzt Schwarz tragen würde, würde ich mich völlig anders fühlen! Ich habe bis zum Tode meines Vaters kein Schwarz getragen. Ich persönlich fühle mich wohl und rein, wenn ich etwas Weißes an mir habe. Wenn ich Ihnen jetzt meinen Schrank aufmache, ist alles weiß. Weiße Jacke, weißer Pelz, weiße Handschuhe ... Nähen Sie für sich oder für andere? Mein Sohn war klein. Ich nähte ihm Zweiteiler, dunkelblaue Hosen und Hemdchen mit diversen Knöpfchen. Es ist viel schwerer, für Kinder zu nähen als für Erwachsene, weil alles so winzig ist. Das ist so anstrengend! Ich nähe mir selbst schneller was als dem Kind. Ich habe auch für gute Freundinnen genäht, aber niemals für Geld. Nähen Sie an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit? Sie haben ja gesehen, dass ich die Maschine erst holen musste. Also habe ich auch keinen bestimmten Raum oder ein extra Zimmer, in dem ich nähe oder bügele. Immer so auf dem Tisch! Ich nähe immer weniger, da ich genug Sachen habe, die ich gar nicht mehr auftragen kann. Und trotzdem erneuere ich immer wieder mal etwas. In den letzen paar Monaten hat mich das Sudoku gepackt und Geschichtsbücher über alte Zivilisationen begeistern mich. Musik während des Nähens muss sein. Je nach Stimmung läuft Radio, klassische oder moderne Musik, jedoch keine Volksmusik. Volksmusik nur abends, wenn wir in der Kneipe sitzen. Dann vergöttere ich sie. Gibt es ein selbst genähtes Kleidungsstück, das Sie uns heute zeigen möchten? Ja, dieses Kleid wurde 1976 in Dakar, der Hauptstadt Senegals, genäht. Die Kleider dort waren sehr teuer und es war üblich, Abendkleider zu tragen. Da es ein französischsprachiges Gebiet ist, waren die Boutiquen auch hauptsächlich französisch. Und deren Preise zu dieser Zeit für uns unerschwinglich. Wann ist es entstanden? Haben Sie es für einen bestimmten Anlass, eine bestimmte Gelegenheit oder Person genäht? Das Kleid war für die Feier des 29. November in der Botschaft gedacht. Also der Nationalfeiertag der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawiens. Der Botschafter hatte uns eingeladen, da es nur eine kleine Anzahl von Jugoslawen gab, die dort lebten. Insgesamt zehn. So kam es, dass er auch diese kleine Kolonie einlud. Damals habe ich drei Kleider genäht. Das Blaue habe ich getragen und die anderen beiden trugen zwei gute Freundinnen von mir. Wann haben Sie das Kleid zum ersten, wann zum letzten Mal getragen? 1976 das erste Mal und 1996 am Meer im Haus einer Freundin in Đenović zum letzen Mal. Hier trägt man selten lange Kleider, auch nicht im Theater. Gibt es Fotos oder andere Zeitdokumente in Verbindung mit Ihrem selbst genähten Kleid? Hier sehen Sie mich und meine Freundin 1976 mit dem Sekretär auf dem Empfang im Senegal, und hier sieht man mich mit der Botschafterin. Das war so feierlich und der größte Feiertag für uns. Ich glaube es gab kein Haus, in dem der 29. November nicht gefeiert wurde. Die Botschaft hatte einen riesigen Vorgarten, wo die Tische im Grünen aufgestellt waren. Die Cocktails wurden im Garten gereicht und für gewöhnlich wurde nationale „Tamm-Tamm-Musik“ auf diesen Schlaginstrumenten gespielt. Können Sie sich an ein Kompliment für das Kleid erinnern? Es waren wirklich alle begeistert. Wie Sie auf den Fotos sehen können, sehen die Kleider nach all den Jahren immer noch schön aus. Auch wenn es Schwarz-Weiß-Fotos sind. Woran erinnert Sie dieses Kleid? Hauptsächlich an die Zeit im Senegal, deshalb hüte ich es auch so lange. Hat die Zeit irgendwelche Spuren auf Ihrem Kleid hinterlassen? Löcher, Flecken ...? Einmal habe ich es mit Weißwein übergossen und zehn Jahre später zur Reinigung gebracht. Die haben es wieder herausbekommen. Was passiert mit dem Kleid? Verschenken Sie es oder nähen Sie es um? Ich werde es meiner Tochter vermachen, wobei sie wesentlich kleiner ist als ich. Auch meine Schwiegertochter ist kleiner als ich, und doch möchte ich es ihnen als Andenken hinterlassen. Tanja, wir danken Ihnen für dieses Gespräch! |
Belgrad, 13.5.2008 um 12 Uhr