Slavica Pantović













Slavica, wie sind Sie zum Nähen gekommen und seit wann nähen Sie?
Ich nähe seit der zweiten Klasse der Mittelschule. Mein Vater war mir dabei eine große Hilfe. Natürlich hat er nicht selbst genäht, aber er hat es befürwortet. Meine Mutter wiederholte ständig: „Lerne, lerne, lerne! Was willst du mit einer Nähmaschine? Wozu Stricken? Wozu Häkeln?“. Vielleicht ist das in der heutigen Zeit schwer zu verstehen, doch zu ihrer Zeit war nur eins wichtig: das Studium abzuschließen. Sie hat mir das Nähen nicht erlaubt, und etwas Verbotenes zu tun ist noch viel schöner. Als ich ihr überglücklich mein erstes selbst genähtes Modell vorführte, schrie sie auf:„Warum? Hast du denn nichts Besseres zu tun? Ich hätte das doch für dich nähen können“. Mein Vater war mir da eine große Unterstützung. Er hatte drei Töchter. Väter wollen erst Söhne und später sind sie dann doch ganz dicke mit den Töchtern. Für ihn war das selbstverständlich, dass, wenn ich das machen möchte, es auch kein Problem ist.

Nähen Sie aus Leidenschaft?
So wie jede Frau ziehe ich gerne was Schönes an. Da ich immer schon klassische Kleidung mochte, die es nicht zu kaufen gab und die nicht dem Trend folgte, hab ich mir selbst was Passendes genäht.

Nähen Sie nach Schnittmustern oder eigenen Entwürfen?
Das erste, was ich mir genäht habe, war ein Rock mit Rüschen in drei Stufen und eine Bluse mit diesen Puffärmeln. Das Modell habe ich nach Burda genäht. Mama hatte drei Töchter und hat deswegen Burda gekauft, um für uns danach zu nähen. Auch ich habe mit Burda angefangen, wobei es auch die Neue Mode gab. Burda war, bis auf die Zeit der Sanktionen, ganz normal erhältlich. Während der Sanktionen konnte man auf dem Zeleni-Venac-Markt alte Ausgaben finden und hat sich dann drei, vier alte Nummern mitgenommen, die von irgendwoher kamen.

Suchen Sie sich die Stoffe, Materialien und Farben gezielt aus?
Ich liebe Bordeaux, so nehme ich mir dann verschiedener Details vor: Gardinen, Lampen, Rahmen, Beistelltische und male sie an. Ich mag das blaue Meer, den blauen Himmel, aber im Haushalt hat Blau eine kalte Wirkung auf mich. Das mag ich nicht besonders. Was mich an Burda immer fasziniert hat, war: kaufen sie 80 Zentimeter fertige Bordüre, 56 Zentimeter von diesem und jenen ... Das gibt ’s bei uns nicht! Das gab’s damals nicht, jetzt vielleicht schon, da musst du halt improvisieren. Ich habe mich immer gefragt: was ist das wohl für ein Geschäft, in das die hingehen und all das kaufen können?

Nähen Sie für sich oder für andere?
Zunächst habe ich für mich genäht. Dann habe ich am liebsten für Kinder und Freundinnen genäht, die wissen was sie wollen. Beziehungsweise die Bedingung war, dass mir der Stoff gefällt und dass das Modell auch zu ihr passt. Stell’ dir doch mal eine üppige Frau in einem Karo- oder großen Blumenmuster vor. Bei aller Liebe, aber etwas zu nähen, was ich nicht ausstehen kann, das geht einfach nicht!

Nähen Sie an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit?
Wenn ich alleine bin, stelle ich die Maschine auf dem Küchentisch auf. Ab dem Moment schalte ich einfach ab. Trotzdem kann man neben mir sitzen und anwesend sein, so lange man will. Ich mag es auch, wenn jemand da ist und doch habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich dem Anwesenden keine Aufmerksamkeit schenke. So lange meine Dubravka noch klein war, habe ich genäht, wenn sie ins Bett ging. Vor kurzem meinte sie noch:„Ach Mama, ich bin gar nicht daran gewöhnt, in der Stille zu schlafen“. Sie mochte dieses Geräusch der Maschine. Später, als sie dann groß war:„Mach die Maschine aus, Mama!“

Gibt es ein selbst genähtes Kleidungsstück, das Sie uns heute zeigen möchten?
Ja, dieses grüne Satinkleid.

Wann ist es entstanden? Haben Sie es für einen bestimmten Anlass, eine bestimmte Gelegenheit oder Person genäht?
Dieses Kleid hab ich um 1995 meiner Duda zum Abitur genäht. Sie wollte nicht das Gleiche wie alle anderen Mädchen haben, die so wie diese prominenten Diven aussehen wollen. So fanden wir eine glückliche Lösung. Dazu habe ich einen Bolero und eine Beuteltasche zum Zuziehen mit grünen Röschen genäht. Das ist alles bei irgendwelchen Freundinnen von ihr gelandet.

Wann hat sie das Kleid zum ersten, wann zum letzen Mal getragen?
Das Kleid war für ihr Abitur gedacht, und da hat sie es auch zum ersten Mal getragen. Sie hat es auch mal auf einer Hochzeit oder einer Party getragen, wenn eine ihrer Freundinnen den Geburtstag in einem Café gefeiert hat.

Gibt es Fotos oder andere Zeitdokumente in Verbindung mit diesem Kleid?
Wenn ich es jetzt finde. Warte, ich ruf sie mal an, damit sie mir sagen kann, wo es liegt. Ich weiß, es gibt dieses Foto, wie ich sie hinausbegleite und wir vor dem Haus stehen (...) Die meldet sich nicht! Ah, hier ist sie doch! Und ich, wie ich sie hinausbegleite.

Können Sie sich an ein Kompliment für dieses Kleid erinnern?
Alle haben gesagt, dass sie am schönsten gekleidet war. Die anderen hatten enge, durchsichtige und glamouröse Kleider an, mit Spitze, und dazu noch diese Frisuren, die einem fünfzehnjährigen Mädchen einfach nicht stehen.

Woran erinnert Sie dieses Kleid?
An einen für mich als Mutter wichtigen Moment.

Hat die Zeit irgendwelche Spuren auf dem Kleid hinterlassen? Löcher, Flecken?
Ich bewahre es in einer Tüte auf. Schau an, hier ist ein Fleck, da hat sie etwas verschüttet, hier auch. Ich finde es nur schade, dass ich ihr für ihren zweiten Abschluss kein Kleid nähen konnte, da ich mein Bein in Gips hatte.

Was passiert mit dem Kleid? Verschenken Sie es oder nähen Sie es um?
Das bleibt im Schrank, und wenn ich tot bin, können sie damit machen, was sie wollen. Vielleicht bekommt meine Tochter ja noch ein drittes Kind und wenn es eine Tochter wird, kann die es ja mal... Meine Mutter ist 76 Jahre alt und sie hütet mein Abiturkleid immer noch. Und das von meiner mittleren und von meiner jüngsten Schwester auch.

Slavica, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Belgrad, 12.5.2008 um 10 Uhr