Ljiljana Stoilković













Ljiljana, wie bist Du zum Nähen gekommen und seit wann nähst Du?
Ich hatte das Glück, dass sich mein zeichnerisches Talent sehr früh entwickelt hat. So haben meine ersten Kreationen auf dem Papier begonnen. Berücksichtigt man, dass meine Mutter Schneiderin ist und mein größtes Hobby das Zerschnippeln von alten Fetzen war, hat sich alles sehr spontan und doch direkt in Richtung Nähen entwickelt. Mit 13 habe ich mir dann, ohne die Hilfe meiner Mutter, aus einer alten Jeans ein Jeanskorsett genäht.

Nähst Du aus Leidenschaft?
Auch wenn ich schon fast 20 Jahre aktiv mit Textilien, Schnitten und Fäden lebe, bekomme ich nie genug davon!!! Ich würde sagen, dass diese Leidenschaft mit Liebe verschmolzen ist, oder umgekehrt. Allein der Entstehungsakt und die Formgebung der Modelle erfordert viel Aufmerksamkeit und Geduld. Doch wenn es vollbracht ist, ist da dieses vollkommene Gefühl, das man schwer mit Worten beschreiben kann. Im wahrsten Sinne Leidenschaft! Im wahrsten Sinne Liebe!

Nähst Du nach Schnittmustern oder eigenen Entwürfen?
Ich gehe immer von meiner eigenen Idee aus. Dann übertrage ich diese auf’s Papier oder direkt vom Kopf aufs Material. Insofern ich Schnittmuster benutze, passe ich sie meiner ursprünglichen Idee an. Ich benutze die Schnittmuster von Burda, wegen des geprüften Größensystems und auch, um Zeit zu sparen.

Suchst Du Dir die Stoffe, Materialien und Farben gezielt aus?
Sehr oft sucht das Material mich aus. Und oft ergibt sich daraus auch die Idee für das Modell. Wenn ich schon eine klare Vorstellung davon habe, wie das Modell in Zukunft aussehen soll, habe ich auch schon eine bestimmten Farbe und den entsprechenden Stoff im Kopf und folge dann nur noch den Wegweisern meiner Idee.

Nähst Du für Dich oder für andere?
Hauptsächlich nähe ich für mich. Besser gesagt fange ich mit dieser Absicht an, und es passiert oft, dass ich es am Ende den Menschen schenke, die ich mag und denen es besonders gefällt.

Nähst Du an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit?
Da ich in einer gemieteten Wohnung lebe, muss ich immer auf einen überraschenden Umzug vorbereitet sein. Deshalb muss ich mein Gepäck auf das Nötigste reduzieren. Ich nähe in der Werkstatt meiner Mutter, die sich leider in meiner Heimatstadt Niš befindet. Ich nutze jede freie Minute, die ich aus Belgrad wegfahren kann, zum Nähen und isoliere mich dann im Haus. Dann verbringe ich fast die ganze Zeit in der erwähnten Werkstatt.

Gibt es ein selbst genähtes Kleidungsstück, das Du uns heute zeigen möchtest?
Bei unserem ersten Treffen habe ich euch nur ein paar meiner letzen Modelle gezeigt, die in Zusammenarbeit mit meiner Mutter entstanden sind. Meine Mutter ist meine schärfste Kritikerin und meine „Linke Hand“. 90 Prozent meiner Kleidung habe ich in Zusammenarbeit mit ihr genäht. Von allen Modellen hebt sich ganz von selbst „Das Fräulein Trikotagekleid“ hervor.

Wann ist es entstanden? Hast Du es für einen bestimmten Anlass, eine bestimmte Gelegenheit oder Person genäht?
„Das Trikotagekleid“ hat sich in einer Nacht in Leskovac ereignet. In einer kleinen Trikotagefabrik, in der ich als Modedesignerin gearbeitet habe. Ich hatte die Kollektion für die Düsseldorfer Messe abgeschlossen und verspürte den Wunsch, auch mir etwas Besonderes im Geiste der Kollektion zu nähen. Etwas, was ich auf der Messe tragen würde. In Absprache mit dem damaligen Programmierer strickten wir ein gesondertes Stück Trikotage, das ich dann zuschnitt und auf der Nähmaschine zusammenfügte. Später habe ich es mit einem Unterrock aus gemusterten Tüllrüschen vollendet.

Wann hast Du das Kleid zum ersten, wann zum letzen Mal getragen?
Demnach habe ich das Kleid das erste Mal im Januar 2006 getragen und das letzte Mal an meinem Geburtstag, Anfang März diesen Jahres.

Gibt es Fotos oder andere Zeitdokumente in Verbindung mit Deinem selbst genähten Kleid? Eben vom ersten Auftritt, aber man kann es nicht gut erkennen, weil es einen sauberen und unaufdringlichen Schnitt hat und mit der ganzen Palette der ausgestellten Kollektion gemacht wurde. Auf dem Foto sieht man mich, wie ich hinter dem Ständer mit der Kollektion stehe. In erster Linie dreht es sich hier also um die Kollektion. Glaubt mir, das Gefühl, das ich hatte, als ich mein Kleid trug, kann man meinem Gesicht deutlich ansehen.

Kannst Du Dich an ein Kompliment für das Kleid erinnern?
Als ich das erste Mal darin aufgetaucht bin, habe ich gleich das erste Kompliment erhalten. Es entlockt mir heute noch ein Lächeln, wenn ich mich an die schönen Worte über das „Kleid“ erinnere. Aber das soll ein kleines Geheimnis bleiben.

Woran erinnert Dich dieses Kleid?
„Das Trikotagekleid“ hat sehr saubere Linien und eine weiche Form. In Anthrazit, mit dem Unterrock aus Tüllrüschen als Detail, die diskret hervorlugen, erinnert es mich irgendwie an die alten Schwarz-Weiß-Fotografen oder Schwarz-Weiß-Filme mit Audrey Hepburn.

Hat die Zeit irgendwelche Spuren auf Deinem Kleid hinterlassen? Löcher, Flecken ...?
„Das Trikotagekleid“ hat einen besonderen Platz in meinem Schrank und ist nur für wichtige und schöne Ereignisse in meinem Leben bestimmt. So ist auch seine Behandlung eine besondere. Es ist noch keine Überraschung passiert, die seinem gegenwärtigen Aussehen geschadet hätte. Es ist zu ruhig und leise für Flecken und Löcher.

Was passiert mit dem Kleid? Verschenkst Du es oder nähst Du es um?
„Das Trikotagekleid“ entwickelt sich langsam zu einem kleinen Zeitzeugen von Veränderungen der Stile und Farben in meinem Schrank. Es lebt mir, wohl wissend, dass die Zeit ihm nichts anhaben kann. Es ist zu meinem sehr guten Freund geworden mit dem ich oder in dem ich mich immer wohl fühle. Gute Freunde sind selten, nicht wahr?! Deshalb sollte man sie immer an seiner Seite haben und pflegen. „Das Trikotagekleid“ ist definitiv einer von ihnen.

Ljiljana, wir danken Dir für das Gespräch!
Belgrad, 14.5.2008 um 20.30 Uhr